Arbeitssicherheit und Cannabis Bekifft bei der Arbeit: Wann und wie müssen Chefs einschreiten?

Seit dem 1. April ist das Cannabisgesetz in Kraft. Der private Besitz und Konsum der Droge ist unter strengen Bedingungen erlaubt. Bei der Arbeit gelten allerdings andere Regeln. Worauf Chefs jetzt achten müssen.

Eine Hand mit einem brennenden Joint
Kiffen ist seit dem 1. April an bestimmten Orten legal. Der Arbeitsplatz zählt nicht dazu. - © artfocus - stock.adobe.com

Pünktlich um Mitternacht zum 1. April zündeten sich Kiffer am Brandenburger Tor in Berlin ihre Joints an; das Cannabisgesetz war in Kraft getreten. Seitdem dürfen Erwachsene bis zu 25 Gramm Cannabis bei sich führen und es an bestimmten Orten auch öffentlich konsumieren.

Enrico Reinecke sieht die Legalisierung skeptisch. "Das wird den Konsum nicht zügeln, sondern es nur noch einfacher machen", vermutet der Maurermeister, Obermeister der Bauinnung und Kreishandwerksmeister aus Wittenberg. "Aber es war auch bisher so: Wenn sie an das Zeug rankommen wollen, kommen sie ran."

Seit Jahren erlebt Reinecke das im eigenen 30-Mann-Betrieb. Einer der Mitarbeiter konsumiert seit seiner Ausbildungszeit Cannabis. "Er ist ein sehr guter Facharbeiter geworden, ich habe ihn selber ausgebildet, er ist fleißig, pünktlich, fast nie krank – und er trinkt keinen Alkohol", zählt Reinecke Gründe auf, weshalb er an dem Gesellen festhält.

Doch auch die Kehrseite dessen Konsums beobachtet der Chef. Der Mitarbeiter schafft seinen Führerschein nicht, er hat Konzentrationsprobleme. "Und als es in seiner Ausbildung zu viele Joints wurden, wusste er in der Frühe nicht mehr wie er heißt." Reinecke sprach mit ihm, daraufhin reduzierte dieser seinen Konsum. "Aber er hört nicht auf", ist Reinecke überzeugt. Durch die neue Rechtslage ändere sich für seinen Betrieb nichts.

Arbeitssicherheit und Cannabis

Für Arbeitgeber bedeutet solch eine Situation eine Herausforderung. Sie können ihren Mitarbeitern einen privaten Drogenkonsum nicht verbieten. Nur auf dem Betriebsgelände haben sie ein Direktionsrecht und dürfen den Konsum untersagen. Dafür genügt ein Aushang oder eine Mitteilung per Mail oder Intranet.

Erscheint ein Mitarbeiter erkennbar berauscht bei der Arbeit – egal, ob durch Drogen, Alkohol oder Medikamente ausgelöst – so muss der Chef ihm die weitere Tätigkeit verbieten und ihn nach Hause schicken. Denn passiert in solch einem Zustand ein Arbeitsunfall und wird jemand verletzt, drohen strafrechtliche Konsequenzen, warnt Michael Fuhlrott, Professor, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht in Hamburg.

Bei der Bewertung, ob der Mitarbeiter arbeitsfähig ist, kommt es auf die subjektive Einschätzung des Chefs an. "Hat der Arbeitgeber den konkreten Verdacht, dass der Mitarbeiter intoxikiert ist, weil er Ausfallerscheinungen zeigt, dann sollte er dies genau festhalten und dokumentieren", rät der Jurist.

Zahlen und Fakten zum Cannabis-Konsum

In Deutschland haben laut Bundesgesundheitsministerium im Jahr 2021 rund 4,5 Millionen Erwachsene in den vorausgegangenen zwölf Monaten wenigstens einmal Cannabis konsumiert (10,7 Prozent der Männer sowie 6,8 Prozent der Frauen). Am häufigsten wurde Cannabis in der Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen konsumiert.

Dies ist allerdings auch die Altersgruppe, die durch den Konsum am stärksten gefährdet ist. Bis zu einem Lebensalter von etwa 25 Jahren ist das Gehirn noch nicht vollständig ausgereift. Der Inhaltsstoff THC kann dann die Gehirnentwicklung stören. Diese Altersgruppe ist besonders anfällig für psychische Störungen.

2021 ist in Deutschland bei fast 110.000 gesetzlich Versicherten im Alter von zehn bis 54 Jahren eine psychische Störung beziehungsweise eine Verhaltensstörung dokumentiert worden, die durch Cannabis ausgelöst wurden. Das zeigen die Daten des Zentralinstituts kassenärztliche Versorgung. Nach Altersgruppen unterschieden waren das bei den zehn bis 17-Jährigen vier Fälle auf 10.000 Versicherte; bei den 18- bis 54-Jährigen waren es 31 Fälle pro 10.000.

Je jünger eine Person mit dem Konsum anfängt und je intensiver der Konsum ist, desto stärker treten negative Effekte auf: Cannabis-Konsumierende haben eine höhere Schulabbruchrate, eine geringere Beteiligung an universitärer Ausbildung und weniger akademische Abschlüsse als junge Menschen, die kein Cannabis konsumieren.

Einfluss von Cannabis-Konsum auf Unfallgefahr

Die Wirkungen von Cannabis hängen von der Dosis, der Art des Konsums und der Person ab. Bei Joint oder Haschpfeife tritt der Höhepunkt nach 15 Minuten ein, nach zwei bis drei Stunden ist die Wirkung in der Regel vorbei. Das Rauchen mit Wasserpfeife (Bong) wirkt schneller und intensiver. Beim Konsum über Essen tritt die Wirkung verzögert, dann aber sehr plötzlich ein und hält etwa fünf Stunden an.

Mögliche negative Folgen auf die Arbeitsfähigkeit sind:

  • verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit
  • längere Reaktions- und Entscheidungszeit
  • verändertes Sehvermögen
  • gestörte Bewegungskoordination
  • bei Jugendlichen Gefahr gerin­gerer geistiger Leistungsfähigkeit

Chefs können im Verdachtsfall zwar einen Drogen- oder Alkoholtest vorschlagen, doch Mitarbeiter dürfen das ablehnen. Bisher gibt es zu Grenz­werten kein Gesetz oder eine Linie in der Rechtsprechung. Für den Straßenverkehr hat eine Expertengruppe empfohlen, den bisherigen Grenz­wert von 1,0 Nanogramm THC pro 100 Milliliter Blut auf 3,5 Nanogramm anzuheben. Der Wirkstoff THC ist mehrere Stunden, THC-Carbonsäure sogar mehrere Wochen im Blut nachweisbar, dann besteht aber keine berauschende Wirkung mehr.

Schickt der Chef einen Mitarbeiter wegen dessen Zustand nach Hause, hat dieser keinen Anspruch auf Lohn. Denn der Arbeitnehmer schuldet dem Chef seine ungetrübte Arbeitsleistung. Braucht er aus Sicherheitsgründen eine Begleitung, muss er dadurch entstehende Kosten selber tragen.